Das Wort des Präsidenten
Liebe Mitglieder,
seit dem 25.1.2024 darf ich für zwei Jahre als Präsident des deutsch schweizerischen Fachverbandes für Strahlenschutz ein klein wenig helfen, die vor uns liegenden Herausforderungen zu meistern. Daher zuerst einmal vielen Dank für das ausgesprochene Vertrauen.
Welche Herausforderungen sind das? Als erstes kommt da vielen der sogenannte „Atomausstieg“ in den Sinn. Schon aufgrund der schieren Größe der Anlagen ist der Rückbau der Kernkraftwerke wohl eine unserer augenfälligsten Aufgaben. Im Oktober vergangenen Jahres durfte ich mich im KKW Isar 1 von der hohen Expertise, die in Sachen Rückbau existiert, überzeugen und mir ein Bild von der professionellen Arbeit dort machen. Auch in der nun brennstofffreien Anlage hat der Strahlenschutz immer noch höchste Priorität.
Die damit eng verbundene Freigabe hat neben dem praktischen Strahlenschutz auch administrative, normative und gesellschaftliche Aspekte. Uns allen ist die Problematik bewusst, dass es immer wieder zu Widerständen bei der Deponierung freigegebenen Materials kommt. Sowohl aus Reihen der Bürgerinnen und Bürger als auch aus Politik und Berufsverbänden kommen Forderungen nach Null Emissionen und Null-Risiko. Dies ist aber nicht möglich. Allerdings darf durchaus hinterfragt werden, ob unsere im Strahlenschutz derzeit verwendeten Modelle und Hypothesen diesen Forderungen eventuell Vorschub leisten. Warum wird das de minimis Prinzip nicht wirklich gelebt, warum das „R“ in ALARA ignoriert, warum immer noch Dosen im Bereich von µSv und darunter mit vielen Exponierten multipliziert und daraus virtuelle Tote generiert? Zumindest Nachdenken über Alternativen dürfen und müssen wir. Wissenschaftliche Erkenntnisse auf der einen Seite und praktikable Anwendbarkeit müssen vereinbart werden, ohne zu vernachlässigen, dass wir das System auch Laien vermitteln können müssen. Der weit gefasste Ansatz der ICRP, das Strahlenschutzsystem fit für die Zukunft zu machen, ist hier der richtige Ort, an dem wir mitarbeiten müssen.
Bleiben wir beim Thema Energie, das ja auch der Schwerpunkt dieses Heftes ist. Während die Notwendigkeit des Strahlenschutzes bei der Nutzung der Kernspaltung und -fusion offensichtlich ist, ist dies bei der Gewinnung und Nutzung von Erdöl und Erdgas, Wind- und Solarenergie und Batterien nicht so klar. Es geht hier um die radioaktiven Beiprodukte, hauptsächlich bei Gewinnung und Veredelung der Rohstoffe. Meist geschieht dies im Ausland, und das wirft die ethische Frage auf, ob wir für unseren Wohlstand „Risiken exportieren“ dürfen.
Ein Vorwort ist leider recht begrenzt und es sind noch viele spannende Arbeitsbereiche des FS unerwähnt geblieben. Aber ich habe ja hoffentlich noch etliche Vorworte vor mir und darf mein Pulver nicht gleich am Anfang verschießen. Ich habe fest vor, möglichst viele Arbeitskreise zu besuchen, um einen noch besseren Überblick zu bekommen. Auch das AK Forum werde ich gerne zur Kommunikation mit Ihnen allen nutzen. Auf alle Fälle freue ich mich auf eine gute Zusammenarbeit.
Januar 2024
Clemens Walther