? Strahlenwirkung und Strahlenschutz ?

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  Frage:
Wie kann die Gefährlichkeit einer zusätzlichen Strahlendosis aus künstlichen Ursachen bewertet werden?


Kurzantwort

Die Menschheit ist seit jeher von natürlicher Radioaktivität umgeben und deren Strahlung ausgesetzt, die zu einer natürlichen Bestrahlung führt. Die Grösse und Variationsbreite der natürlich erzeugten Strahlendosis kann als Massstab benutzt werden, um die Gefährlichkeit einer zusätzlichen Strahlendosis mit künstlichen Ursachen zu bewerten (siehe Frage 316).

Illustration

Effektive Dosen, die durch natürliche Radioaktivität und Strahlung erzeugt werden:



Legende: In der Figur sind die Mittelwerte (M) und Variationsbreiten der jährlichen effektiven Strahlendosen in der Schweiz dargestellt (analog zum BAG Bericht 1996). Am wenigsten Variation zeigt die Dosis infolge der im Körper enthaltenen Radioaktivität, weil die mit der Nahrung aufgenommenen Radionuklide (Kalium-40, Kohlenstoff-14, Uran- und Thorium-Folgeprodukte) einem Gleichgewicht im Körper entsprechen (Frage 201). Die Dosis infolge externer Bestrahlung zeigt eine grössere Variationsbreite, weil die terrestrische Strahlung je nach dem Gehalt des Bodens an Kalium-40, Uran- und Thoriumfolgeprodukten stark variiert (Frage 202). Der Dosis-Beitrag durch die kosmische Strahlung variiert dagegen nur wenig (von ca. 0,3 bis 0,7 mSv/Jahr). Am meisten Variation zeigt der Dosisbeitrag wegen Radon-Folgeprodukten (0,2 bis über 20 mSv/Jahr, siehe Frage 203 und 304).

Erklärung

In Frage 316 ist erläutert, warum Strahlendosen infolge künstlicher Quellen mit solchen natürlichen Ursprungs verglichen werden dürfen. Die Grösse und Variationsbreite der natürlichen Bestrahlung kann also als Massstab zur Bewertung einer künstlichen zusätzlichen Bestrahlung benutzt werden. Dies auch deshalb, weil die Menschheit seit jeher dieser natürlichen Bestrahlung ausgesetzt war, ohne dass messbare unterschiedliche Folgen auftraten (Ausnahme ist das Lungenkrebsrisiko wegen Radon, siehe Frage 304). Insbesondere fallen deshalb zusätzliche künstlich erzeugte Dosen nicht ins Gewicht, die deutlich kleiner sind als die Variationsbreiten der natürlich erzeugten Dosiskomponenten; beispielsweise
  • die Dosis wegen Krypton-85 in der Luft
  • die heutigen Dosen von Radioaktivität aus Tschernobyl und von den Bombenversuchen, die im menschlichen Körper eingebaut ist (über die Pflanzen durch Wurzelaufnahme)
  • die Dosen wegen Tritium- und Kohlenstoff-14-Aktivitäten aus Industrie und Bombenversuchen
  • die Dosen wegen Abgaben von Radioaktivität aus Kernanlagen im Normalbetrieb
  • die Dosis wegen Wieder-Aufwirbelung von Fallout (oder Uran-Munition)
  • die Dosen bis etwa 0,1 mSv/Jahr wegen externer Bestrahlung durch langlebige Radionuklide (z.B. Cäsium-137) aus Tschernobyl und den Bombenversuchen in den Gebieten, die durchschnittliche Bodenbelegung aufweisen

Differenzierter müssen zusätzliche Dosen betrachtet werden, die im Bereich von 0,1 bis 1 mSv/Jahr liegen. Dies betrifft beispielsweise Gebiete, in denen die Bodenbelegung aus Tschernobyl hoch war (Tessin, Böhmen, Erzgebirge), die Vielflieger und die Röntgendiagnostik (Frage 317). Als qualitatives Argument gilt immer noch, dass diese Dosen klein sind im Vergleich insbesondere zu Dosen wegen Radon-Folgeprodukten. Zur quantitativen Bewertung von zusätzlichen Dosen in der Grössenordnung 1 mSv/Jahr - dem Grenzwert für die Bevölkerung - bis zum Grenzwert für beruflich Strahlenexponierte (20 mSv/Jahr, Frage 318) wird im Strahlenschutz eine Risikoabschätzung durchgeführt (Frage 102) und das Krebsrisiko abgeschätzt. Beispielsweise ergibt diese Abschätzung, dass eine zusätzliche effektive Dosis von 1 mSv je während 50 Jahren ein zusätzliches Krebsrisiko von 0,25% ergibt, was gegenüber der natürlichen Krebsrate von ca. 25% gering ist.

Zu beachten ist beim Vergleich von künstlich mit natürlich verursachten Strahlendosen, dass gewisse künstliche Bestrahlungen zeitlich kurzfristig, d.h. konzentriert erfolgen (z.B. bei der Röntgendiagnostik), wogegen die natürliche Bestrahlung und alle anderen oben erwähnten Beispiele über längere Zeiten (Tage und mehr) einwirken. Die in Frage 102 erwähnten Reparaturen in den Zellen können bei konzentrierter Dosisleistung etwas weniger effizient erfolgen. Wenn eine im Strahlenschutz empfohlener Faktor 2 für konzentrierte Dosen eingerechnet wird, stimmen die oben erwähnten Argumente beim Vergleich von künstlich mit natürlich erzeugten Dosen aber auch für konzentrierte Dosisleistungen.

Hugo Loosli Juli 04


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