? Strahlenwirkung und Strahlenschutz ?

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  Frage:
Wie gefährlich ist die Strahlenexposition bei einer Röntgen- oder nuklearmedizinischen Untersuchung ?


Kurzantwort

Die Risiken bei Strahlenexpositionen sind bei konventionellen Röntgen- und nuklearmedizinischen Untersuchungen grundsätzlich als klein zu beurteilen. Die hypothetische Anzahl von Schädigungen ist rein statistisch, weil sich das Auftreten entsprechender Fälle nicht nachweisen lassen, da sie im Untergrund verschwinden (Spontanrate). Vor allem bei langandauernden Durchleuchtungen und auch bei CT-Untersuchungen (Computer-Tomographien) sind rein rechnerisch Schädigungen nicht auszuschliessen, wenn das letale und nichtletale Risiko der Strahlenwirkung mit 0.7 % pro 100 mSv effektiver Dosis zugrundegelegt wird. Bei sehr langen Durchleuchtungen, wie sie bei Intervention möglich sind, können deterministische Effekte auftreten, wie z.B. Haarausfall, Hautrötungen usw.

Illustration


Effektive Dosen im Vergleich: bei ausgewählten Röntgen- und nuklearmedizinischen Untersuchungen, Bereich der jährlichen natürlichen Strahlenexposition (für etwa 90 % der Bevölkerung) und jährliche Grenzwerte für beruflich sowie nichtberuflich strahlenexponierte Personen.

Erklärung

Das Strahlenrisiko bei einer medizinischen Untersuchung mit ionisierenden Strahlen kann mit der effektiven Dosis angegeben werden. Die effektive Dosis infolge natürlicher Strahlenquellen beträgt beispielsweise pro Jahr im Mittel 3 mSv. Beim Vergleich mit natürlichen Strahlenexpositionen ist zu berücksichtigen, dass bei einer Röntgenaufnahme die Dosis innerhalb eines Sekunden-Bruchteils appliziert wird. Dies kann bei den Reparatureffekten eine Rolle spielen. Es darf bei einer medizinischen Strahlenexposition stets davon ausgegangen werden, dass für den Patienten ein direkter Nutzen resultiert, nämlich eine Diagnose, welche die weitere Behandlung eines Leidens bestimmen wird.

Bei einer Röntgenuntersuchung liegt die effektive Dosis meistens unterhalb von 20 mSv. Hohe effektive Dosen werden erreicht bei: komplexen bzw. langen Durchleuchtungsuntersuchungen (bis 100 mSv), CT-Untersuchungen des Thorax, des Abdomens und des Beckens (10 - 15 mSv), Angiographien (10 - 20 mSv), interventionelle Untersuchungen (5 - 20 mSv). Einzelne Organdosen können bei einer Untersuchung bis zu 100 mSv erreichen, so z.B. die Augendosis etwa 50 mSv bei einer CT-Schädeluntersuchung

Bei einer nuklearmedizinischen Untersuchung kann die effektive Dosis bis zu 35 mSv betragen. Hohe effektive Dosen werden erreicht bei: Schilddrüsenuntersuchung mit I-131(34 mSv), Tumoruntersu-chung mit Ga-67 (22 mSv), Nebennierenuntersuchung mit Se-75 (20 mSv), Myokard-Untersuchung mit Tl-201 (18 mSv). Einzelne Organdosen bei nuklearmedizinischen Untersuchungen können hohe Werte erreichen, so z.B. 100 mSv in der Schilddrüse bei einer Schilddrüsenszintigraphie mit I-131oder 300 mSv in der Nebenniere bei einer Nebennierenszintigraphie mit I-131.

Das Strahlenrisiko wird mit 5 % pro Sv für Todesfälle aufgrund von strahleninduziertem Krebs und von 7.5 % pro Sv angegeben, wenn auch nichttödliche Strahleninduktionen inkl. genetische Defekte einbezogen werden. Wenn daraus das Risiko berechnet wird, innerhalb von 70 Jahren aufgrund der natürlichen Strahlenexposition an Krebs zu sterben, so würde es bei 1 % liegen (d.h. jede hundertste Person, die 70 Jahre alt werden kann, würde rein rechnerisch an der natürlichen Strahlenexposition sterben). Bei einer medizinischen Untersuchungen mit ionisierenden Strahlen würde das maximale Risiko bei 0.5 % für letale und bei 0.7 % für letale und nichtletale Wirkung liegen. Diese Risiken sind klein; aber bei einer von 2'000 CT-Untersuchung des Thorax muss rein rechnerisch mit einer somatischen Auswirkung der Strahlenexposition gerechnet werden.

Bei langen Durchleuchtungsuntersuchungen von mehr als einer Stunde können unter gewissen Be-dingungen (z.B. nicht optimale Filterung, kurze Fokus-Oberflächen-Distanz) Strahlenwirkungen an der Körperoberfläche auftreten. Beobachtet werden in seltenen Fällen Haarausfall, Erythem (Hautrötungen) bis zur Nekrose (Gewebstod). Diese deterministischen Effekte könnten innerhalb von wenigen Tagen auftreten und sind meistens reversibel.

Bei einer Schwangerschaft ist die Uterusdosis massgebend für die Risikobeurteilung eines Embryos bzw. Feten. Nach heutigen strahlenbiologischen Erkenntnissen wird im allgemeinen eine Dosis bis zu 50 mSv im Vergleich zu anderen Risiken während der Schwangerschaft als klein bzw. akzeptabel beurteilt und erst bei Dosen ab 100 mSv überhaupt eine Interuptio aus alleinigen Gründen einer möglichen strahlenbiologischen Schädigung in Betracht gezogen. Nach dem heutigen Kenntnisstand der Strahlenbiologie folgt: In der Blastogenese (Präimplantation) manifestiert sich der Strahlenschaden in der Regel im Keimtod, der kaum erkannt wird. In der Organogenese kann es zu schweren Missbildungen oder zum Fruchttod kommen. Voraussetzung dafür sind aber Dosen im Bereich von etwa 100 mSv und mehr. Als besonders strahlenempfindliche Phase für die geistige Entwicklung hat sich die Zeit zwischen der 8. und 15. Schwangerschaftswoche erwiesen (4 % bei 100 mSv bzw. eine Abnahme des IQ um 3 Punkte pro 100 mSv). In der Fetalperiode werden schwere sichtbare Schädigungen nach Dosen von etwa 100 mSv mit fortschreitender Entwicklungsphase unwahrscheinlicher.

Schwierig ist die Dosisbestimmung bei nuklearmedizinischen Untersuchungen während einer Schwangerschaft, da die Fetus- bzw. Embryodosis nicht nur von der Gamma-Strahlung aus den umliegenden Organen bestimmt wird, sondern auch von der Aufnahme- und Speicherfähigkeit des verwendeten Radiopharmakons im Uterus, in der Plazenta und im Fetus selbst. Dabei ist auch die Beta-Strahlung des Radionuklids zu berücksichtigen.

Jakob Roth, Basel, Oktober 2005

 

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